Evolution of Patient Centricity

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Digitale Gesundheitsprodukte erfolgreich an den Anforderungen komplexer Gesundheitsökosysteme ausrichten.

Ein umfassendes Verständnis des Patienten und seiner Bedürfnisse ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung fortschrittlicher Medizinprodukte und Therapieformen. Gerade im Umfeld digitaler Gesundheitsprodukte reicht der Fokus auf den Patienten allein jedoch nicht aus. Um Produkte erfolgreich am Markt platzieren zu können, müssen eine Vielzahl von Stakeholdern im Entwicklungsprozess berücksichtigt werden.

Patient Centricity, also die konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen und der Lebenswirklichkeit des Patienten mit dem Ziel, die bestmögliche Erfahrung für ihn und seine Angehörigen zu ermöglichen, ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Prinzip bei der Entwicklung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte geworden. Eine patientenzentrierte Produktentwicklung gilt als Schlüssel für bessere Behandlungsergebnisse, eine höhere Patientenzufriedenheit sowie ein effektiveres Selbstmanagement, insbesondere bei der Behandlung chronischer Erkrankungen wie Diabetes. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit digitalen Gesundheitsanwendungen, die Patienten bei der Therapie unterstützen und eine enge Integration in den Alltag der Patienten ermöglichen sollen. Die meisten Hersteller haben die Bedeutung von Patient Centricity inzwischen erkannt und begonnen, ihre Prozesse so auszurichten, dass Patienten möglichst frühzeitig und umfassend in die Entwicklung neuer Produkte einbezogen werden.

Patient Centricity reicht nicht weit genug

Der alleinige Fokus auf den Patienten greift jedoch zu kurz. Denn Medizinprodukte und Arzneimittel sind heute Teil eines komplexen Multi-Stakeholder-Ökosystems, zu dem neben den Patientinnen und Patienten auch Ärztinnen und Ärzte, Krankenkassen, Verwaltungen und andere Akteure des Gesundheitssystems gehören (siehe Grafik). Sie alle mit ihren jeweiligen Anforderungen, Interessen und Kontexten gilt es bei der Entwicklung neuer Produkte und Lösungen zu berücksichtigen und die Value Proposition daran auszurichten.

Eine Tabelle mit fünf Spalten und drei Zeilen, die verschiedene Akteure im Gesundheitswesen beschreibt: Patient, Gesundheitsdienstleister, Pflegekraft, Kostenträger und Hersteller von Medizinprodukten. Jede Spalte enthält Informationen zu Beschreibung, Einschränkungen und Anreizen für jede Akteursgruppe.      Patient: Beschreibung umfasst Patientengruppen nach Alter, Geografie und Krankheitstyp. Einschränkungen sind Produktkomplexität und schwierige Nutzung. Anreize sind mehr Autonomie und bessere Gesundheitsvorsorge durch digitale Lösungen.     Gesundheitsdienstleister: Ärzte oder Therapeuten, Einschränkungen sind administrative Belastung und Systemkosten. Anreize umfassen Zeitersparnis und verbesserte Behandlungsoptionen.     Pflegekraft: Professionelle oder familiäre Betreuungspersonen, Einschränkungen sind Produktkomplexität. Anreize sind Zeitersparnis durch Automatisierung oder Delegation an den Patienten.     Kostenträger: Private oder öffentliche Krankenversicherungen, Einschränkungen sind Missverständnisse über digitale Gesundheitslösungen. Anreize sind Kosteneinsparungen durch effizientere Untersuchungen und kürzere Krankenhausaufenthalte.     Hersteller: Produzenten von medizinischen Geräten und Medikamenten, Einschränkungen sind fehlende Schnittstellen zu anderen Systemen. Anreize sind gemeinsame Dienstleistungen und Kooperationen.

 

Gelingt das nicht, drohen Produkte, unabhängig von ihrer Wirksamkeit oder dem Mehrwert für den Patienten, bei der Überführung in das Gesundheitssystem zu scheitern. Etwa indem der administrative Aufwand für Ärztinnen und Ärzte zur Nutzung des Produkts (administrative Burden) zu hoch ist, oder Krankenkassen nicht bereit sind, die Kosten dafür zu tragen. Gerade im Digital-Health-Umfeld sind die Hürden für die Adoption neuer Lösungen zum Teil besonders hoch, da bei Stakeholdern wie Ärzten oder Krankenkassen bislang meist wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen Gesundheitsprodukten vorhanden ist.

Anforderungen abwägen für optimale Overall Value Proposition

Unternehmen, die ein digitales Gesundheitsprodukt entwickeln und auf den Markt bringen wollen, stehen daher vor einer dreifachen Herausforderung: Zum einen gilt es, die für den Markterfolg des Produkts relevanten Stakeholdergruppen zu identifizieren, ihre jeweiligen Bedürfnisse und mögliche Anreizmechanismen zu verstehen. Zum anderen müssen die Hersteller versuchen, die verschiedenen, teilweise gegenläufigen Anforderungen so abzuwägen, auszubalancieren und zu priorisieren, dass ein bestmöglicher Mehrwert für alle relevanten Stakeholdergruppen entsteht.

Eine Infografik zum Quadruple Aim im Gesundheitswesen, dargestellt als vier Segmente in einem Kreis, die zentrale Ziele beschreiben:      1. Reducing Cost     2. Population Health      3. Patient Experience      4. Provider Experience   In der Mitte des Kreises steht "Quadruple Aim" als übergreifendes Konzept.

Eine Systematik zum Umgang mit diesen Trade-Offs liefert das Quadruple Aim-Framework, das in seiner ursprünglichen Form vom ehemaligen Leiter der Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) entwickelt wurde und die verschiedenen Zieldimensionen einer guten Gesundheitsversorgung, wie die Verbesserung der Pflegeerfahrung der Patienten, die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und die Senkung der Gesamtkosten im Gesundheitswesen abbildet.

Drittens gilt es, diese Ökosystem-Betrachtung für die verschiedenen Geographien durchzuführen, da Unterschiede in den Gesundheitssystemen der einzelnen Länder sowie kulturelle Divergenzen jeweils andere Anforderungen generieren, die es bei der Ausgestaltung der Value Proposition für den jeweiligen regionalen Zielmarkt abzubilden gilt.

Co-Creation als Schlüssel für erfolgreiche Adressierung der Stakeholder-Interessen

Um digitale Gesundheitsprodukte erfolgreich an die vielfältigen, regional divergierenden Anforderungen komplexer Multi Stakeholder-Ökosysteme auszurichten, erfordert ein systematisches Vorgehen. Entscheidend ist dabei, die Stakeholder möglichst früh in die Entwicklung der Lösung einzubinden. Je später dies erfolgt, desto kleiner ist der Spielraum für die Berücksichtigung einzelner Anforderungen bzw., desto höher ist der finanzielle und zeitliche Aufwand für Änderungen an der Lösung. Insbesondere die Entscheidung, ob eine Lösung oder Teile davon als SaMD (Software as a medical device) oder DTx (Digital Therapeutics) zugelassen werden oder ob sie lediglich als Wellness- oder Companion-App vermarktet werden soll, muss intensiv geprüft werden, da sie wesentlichen Einfluss auf das Produktdesign und den Entwicklungsprozess sowie die Validierung hat.

Entsprechend sollte über den gesamten Lebenszyklus des Produkts hinweg ein intensiver Rückkopplungsprozess mit den Stakeholder-Anforderungen sichergestellt werden: von der frühen Konzeptionsphase bis zum Market Access, etwa wenn es darum geht, die relevanten Buying Center zu identifizieren und diese mit den richtigen Botschaften über die richtigen Kanäle zu adressieren.

Für die notwendige Analyse der Stakeholder und ihrer jeweiligen Situation können in einem ersten Schritt Fachartikel, Studien und Marktreports herangezogen werden, um die Arbeitsweisen, Workflows und Herausforderungen z.B. einer bestimmten Facharztgruppe zu verstehen und daraus erste Anforderungen für die Lösungsentwicklung abzuleiten. Darüber hinaus sollten aber auch Real-World-Daten erhoben werden, indem Vertreter der jeweiligen Stakeholdergruppen aktiv in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, beispielsweise im Rahmen von Co-Creation-Workshops, Pilotprojekten sowie klinischen Studien. Dabei sollten Unternehmen darauf achten, nicht nur die Endpunkte zu betrachten, mit denen die Wirkung einer Therapie bewertet wird, sondern die Methoden so zu gestalten, dass auch weiche Faktoren wie die Usability des Produkts getestet werden.

Kulturelle und regulatorische Herausforderungen

Für viele etablierte Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller, deren Produktentwicklung in der Regel einem stark formalisierten Prozess folgt, ist diese Form der Co-Creation bislang Neuland. Hinzu kommt, dass der Entwicklungsprozess von Digital-Health-Anwendungen aufgrund des Softwareanteils einer grundsätzlich anderen Logik folgt, die sich radikal vom linearen Vorgehen etwa in der Arzneimittelforschung unterscheidet. Dementsprechend bedeutet der Ansatz einen kulturellen Bruch mit der bestehenden prozessualen, organisatorischen und kulturellen Praxis, den es zu moderieren gilt. Hinzu kommt eine Vielzahl von Compliance-Anforderungen, die die Unternehmen in der direkten Interaktion mit Patienten und Ärzten zu beachten haben.

Fazit

Patient Centricity ist das zentrale Paradigma bei der Entwicklung von Healthcare-Lösungen. Gerade digitale Gesundheitsprodukte sind aber nur dann am Markt erfolgreich, wenn es den Herstellern gelingt, auch die Anforderungen der anderen Stakeholder wie Ärzte, Pflegepersonal oder Krankenkassen mit entsprechenden Funktionalitäten oder Incentivierungsmechanismen zu adressieren. Dies erfordert neben der technischen und regulatorischen Expertise auch eine fundierte Kenntnis des jeweiligen Gesundheitssystems. Richtig umgesetzt, kann ein solcher Multi-Stakeholder-Ansatz die Entwicklungs- und Markteintrittsrisiken für neue digitale Gesundheitsprodukte deutlich reduzieren.

Author

msg Joachim Stengel

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