Verträge mit Zulieferern und Dienstleistern
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Lieferantenqualifizierung: Quality-Agreements richtig umsetzen

Die Lieferantenqualifizierung ist ein integraler Bestandteil eines pharmazeutischen Qualitäts-Management-Systems („QMS“). Ausgelagerte Tätigkeiten müssen „gemanaged“ und beherrscht werden, siehe EU GMP Guide part 1 Ch. 1.4. (vii) sowie ICH Q10. Darüber hinaus erwähnt Chapter 7 des EU GMP Guides neben der eigentlichen Definition und Kontrolle der ausgelagerten Tätigkeiten explizit das (gegenseitige) „Vereinbaren“ („agreed“) der durchzuführenden Tätigkeiten. Spätestens mit Einführung der ICH Q10 Guideline ist die Anforderung nach einem „written agreement“ klar festgelegt (2.7. (b)); dies gilt im Übrigen auch für Wirkstoffhersteller (1).

Daraus ergibt sich die regulatorisch-logische und ebenso geschäftliche Notwendigkeit von Verträgen mit Lieferanten und Dienstleistern, die pharmazeutische Materialien bzw. Services liefern bzw. erbringen. Dies erfordern auch mehrere weitere Vorgaben (2,3,7,8) und Hinweise aus dem US-FDA regulierten Umfeld (4,5 in Kombination mit (6)).

Lieferant ist fester Bestandteil des Herstellungsprozesses

Somit wird der Lieferant zum festen und kontrollierten Bestandteil des Herstellprozesses des pharmazeutischen Unternehmers bzw. des Marketing Authorization Holders („MAH“). So betrachtet z.B. die FDA Auftragnehmer als Erweiterung des Herstellers und behält sich vor, solche ausgelagerten Fertigungsstätten mit zu inspizieren (4). Erwartungsgemäß hat die FDA auch schon Warning Letters (9) mit klarem Bezug zu Verträgen, sogenannten Quality-Agreements, bzw. nicht eindeutigen Regelungen in solchen Verträgen ausgegeben.

Orientierungspunkte zur Gestaltung von Quality-Agreements

Was sollte also in einem entsprechenden Quality-Agreement stehen? Ist für jeden Lieferanten die gleiche Breite, Tiefe und Stringenz anzusetzen und wie lässt sich dieses Dokument idealerweise standardisieren? Hierzu gibt es verschiedene Quellen und Guidelines.

Am einfachsten verhält es sich mit dem Einsatz von Beratern: diese können nach Kapitel 2.23 des EU GMP Guides part 1 mittels CV und Aufgabenbeschreibung qualifiziert werden, ein typischerweise vorliegender kommerzieller Vertrag sollte hier ausreichend sein.

Auf der anderen Seite des Kritikalitäts-Spektrums hat die FDA einen Guide für Auftragsfertigung herausgegeben, der auch auf Lager und Distribution angewandt werden kann. Leider findet sich hier keine Liste an Vorgaben, sondern eher in Prosa aufgeführte kritische Aspekte. Trotz Vereinbarung sind stets beide Parteien für die Einhaltung von GMP verantwortlich, keine kann sich mittels Verantwortungsdelegation komplett aus der Verantwortung stehlen, wie auch diverse Warning Letter zeigen. Neben dem eigentlichen Inhalt der Vereinbarung und entsprechenden Definitionen, empfiehlt die FDA die Kernbereiche der Herstellung und Qualität zu regeln. Die Art und Weise lässt das Dokument offen. Bewährt haben sich „Kreuzchen-Tabellen“, die die Verantwortung je Aspekt klar zuweisen und auch 100 Zeilen und mehr umfassen können (die sog. Verantwortungs- (Abgrenzungs-) Matrix).

Vor allem folgende Punkte hinsichtlich gegenseitiger Information sollten Hersteller berücksichtigen:

  • Unregelmäßigkeiten wie Abweichungen und OOS,
  • Audits/Inspektionen und deren für die Auftragsfertigung sowie das Produkt relevante Mängel (inkl. Entzug von CEP, Herstellerlaubnis; Import Alert),
  • Beschwerden und Rückrufe.
  • Änderungen auf beiden Seiten müssen klar vorab kommuniziert und gegenseitig freigegeben werden.

Weiter ist zu klären,

  • ob bspw. Herstellprotokolle, Master und andere Dokumente an den Auftraggeber zur Freigabe oder Kenntnisnahme übermittelt werden müssen;
  • wie generell mit Dokumentenaufbewahrung zu verfahren ist;
  • wer für Qualifizierung und Validierung verantwortlich ist (auch aus kommerzieller Sicht relevant).

Interessanterweise ist im FDA Guide nicht das sonst so stark gewichtete Thema Schulung der Auftragnehmer-Mitarbeiter behandelt. Speziell für Lieferanten eher technischer Güter und Dienstleistungen sollte dies aber geregelt werden.

Spezifikationen in einem Quality-Agreement

Selbstverständlich scheint, dass für alle Produkte und Dienstleistungen Spezifikationen der Lieferung sowie Erbringung definiert sein müssen. Für Lohnherstellung umfasst solch eine Spezifikation dabei ein umfangreiches Dokument, bspw. das sogenannte „Product Specification File“. Auftragshersteller wie auch Labore und andere Lieferanten und Dienstleister sollten hinsichtlich des Vertragsinhaltes das folgende Grundgerüst nutzen:

  • Vertragsgegenstand (mit Verweis auf Product Specification File / Spezifikationen im Anhang)
  • Beiderseitige Rechte und Pflichten / Verantwortungs-Matrix („Kreuzchen-Tabelle“)
  • Gegenseitige Informationspflichten
  • Verfahren bei Beanstandung zu gelieferten Materialien bzw. erbrachten Dienstleistungen
  • Änderungskontrolle ((Roh-) Material, Dienstleistung, Personalwechsel, Anlagen)
  • Meldung von Abweichungen u.ä.
  • Detailliertes Recht zur Auditierung
  • Regelung zur Beauftragung Dritter („Untervergabe“)
  • In zu pflegenden Anhängen sind weitere Punkte festzuhalten bzw. zu detaillieren, zum Beispiel die verantwortlichen Ansprechpartner, einzuhaltende Rechtsnormen oder die Spezifikationen.

Vorlagen und Beispiele für Textbausteine und eine Verantwortungs-Matrix kann man u.a. bei APIC, IPEC oder, kommerziell verfügbar, beim BAH finden.

Resümee: Komplexität und Kritikalität der Leistung als Richtwert

Zwar scheint nach EU GMP part 1 Ch.5.28 statt einem Vertrag auch eine reine Spezifikation als Lieferbasis ausreichend zu sein, bspw. für einfache „non-pharma“ Katalog-Artikel, und für Berater sind die Ansprüche für einen Vertrag geringer. Dennoch sollte für jeden Lieferanten bzw. Dienstleister ein formelles Dokument („Dossier“) bestehen, welches im Rahmen der Lieferantenqualifizierung entsteht. Die Komplexität des Vertrages sollte die Komplexität und Kritikalität des gelieferten Materials / der Dienstleistung widerspiegeln, einige Minimalanforderungen müssen aber, wo immer möglich, erfüllt werden.

 

Quellenangaben und Anmerkungen

(1) EU GMP Guide part 2/ ICH Q7, Chapter 16.12:

(2) PIC/S PE 009-14, Chapter 7: Contract Manufacture and Analysis, also requires quality agreements. entspricht EU GMP AMWHV §9 (1):

(3) AMWHV §9 (1): Ein schriftlicher Vertrag muss zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer für jede Aktivität bestehen, die Teil des Auftrags ist – insbesondere für die Produktion, Prüfung und Markteinführung oder jeden damit verbundenen Prozess, der im Rahmen des Auftrags durchgeführt wird. Der Vertrag muss die Verantwortlichkeiten jeder Partei eindeutig definieren und insbesondere die Einhaltung der guten Herstellungspraxis (GMP) regeln [...]

(4) US Food, Drugs and Cosmetics Act; § 374. Inspection, (a)(1).

(5) 21 CFR 211.22(a):

(6) 21 CFR 211.22: Quality unit activities and procedures should be in writing.

(7) Guidelines on Good Distribution Practice of medicinal products, Chapter 7. (2013/C 343/01)

(8) Guidelines on principles of Good Distribution Practice of active substances for medicinal products, Chapter 6.12. (2015/C 95/01)

(9) https://bpsalliance.org/technical-guides/

(10) z.B. Cosmelab Co Ltd, Südkorea, 2020; Referenznummer: 320-20-17 [https://www.fda.gov/inspections-compliance-enforcement-and-criminal-investigations/warning-letters/cosmelab-co-ltd-590480-01092020]

(11) Siehe Verweise 7 und 8

 

Autor

msg Dr. Oliver Biermann

Dr. Oliver Biermann | Senior Manager

Dr. Oliver Biermann ist Senior Manager bei den msg industry advisors. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in den Bereichen
Computerised Systems Validation, Cloud Computing sowie GxP-Compliance und Global IT Systems.

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